Lehrerwahl in Traunhofen
Die beschwerliche Suche eines Junglehrers nach einer Anstellung an einer konfessionellen Dorfschule im Banat

 

1998, Verlag südostdeutsches Kulturwerk München





zurück zur Übersicht Erzählungen

 Leseprobe:

Drei alte Linden, mit mächtigen, schon herbstlich bunten Kronen, stehen wie stumme Hüter an der Längsseite des Gotteshauses. Lautlos löst sich manchmal ein Blatt und taumelt zur Erde, webt mit an dem bunten Blätterteppich, der immer dichter und breiter wird.

Der Kirche gegenüber, jenseits der Landstraße, drei Gebäude mit breiter Front. Das werden wohl die Schulen sein, mit Lehrerwohnung, großem Hof und einem Garten.

Aus dem letzten Gebäude klingt Gesang, ach ja, der Nachmittagsunterricht hat begonnen. "Widele, wedele, hinterm Städele hält der Bettelmann Hochzeit..."

"Ja , denkt Helfrich, der Bettelmann ist soeben angekommen und an Hochzeit kann er noch lange nicht denken."

Entschlossen wendet er sich um und will die Tür zum Pfarrhaus neben dem größeren Einfahrtstor öffnen. Und da er noch einen Augenblick zögert, er weiß selbst nicht warum, sagt eine Frau, die eben des Weges kommt: "Der Herr soll nor ningehn, do wohnt der Herr Pharrer."

Lächelnd nickt ihr Helfrich zu, öffnet die Tür und tritt in den Hof. Oleanderbäumchen stehen da in großen Kübeln, dahinter träumen Blumenbeete ihrer vergangenen Pracht nach. Nur einige Chrysanthemen leuchten in weicher, schneeiger Schönheit. Der Weingarten, der den größten Teil des Gartens einnimmt, ist seiner süßen Last entledigt und genießt, wie ein müder, abgelegter Greis, der seine Lebensarbeit erfüllt weiß, die wohlige Wärme der Herbstsonne. Zur Linken, gleich hinter dem Hühnerhof, wölben zwei uralte Nussbäume ihre mächtigen Kuppeln.

Helfrich nimmt drei Stufen und befindet sich auf dem säulengeschützten Gang, von dem aus zwei Türen ins Haus führen. Die offene Seite ist von den Blättern des wilden Weines fast zugesponnen.

Als Helfrich am Ende des Ganges nach links abbiegen will, bietet sich ihm ein seltsames Bild, und er hält inne. An einem Tisch sitzt der Pfarrer, ein runder, altersgrauer Herr. Er trägt einen uralten, fleckigen und ausgefransten Rock, der ihm bis an die Knie reicht. Durch eine Drahtbrille mit dicken Gläsern blickt er auf seine fleischigen Hände, nein ...

 

 Illustrationen von Karin Graf:

 

zurück zur Übersicht Erzählungen